Steuerlexikon
Nichtanwendungserlass
Entscheidungen des Bundesfinanzhofs beschränken sich in der Regel auf den Einzelfall. Damit die Entscheidung nicht auf alle Steuerpflichtigen angewendet wird, verwendet das Finanzministerium sog. Nichtanwendungserlasse. Diese Praxis ist äußerst zweifelhaft und wird dem in Art. 19 Abs. 4 GG garantierten Rechtsschutz nicht gerecht, wenn die Verwaltung den Steuervorteil von den nicht-klagenden Bürgern schlichtweg einbehalten darf. Auch wenn der Grundsatz der Organtreue oder Interorganaspekt nicht direkt greift, da der BFH kein Verfassungsorgan ist, so lässt sich doch aus der Rechtsschutzgarantie eine Pflicht der Verwaltung zur Beachtung der höchstrichterlichen Rechtsprechung ableiten. Damit nicht alle betroffenen Steuerpflichtigen klagen müssen, stützt sich der Rechtsschutz der Finanzgerichtsbarkeit gerade auf die Musterwirkung der Urteile. Andernfalls wäre mit einer Welle von Klagen und langen Verfahrensdauern zu rechnen, welche nicht mit dem Rechtsschutz aus Art. 19 Abs. 4 GG in Einklang stehen. Das Interesse der Verwaltung wäre größer, wenn bei einem rechtswidrigen Nichtanwendungserlass regelmäßig ein Amtshaftungsanspruch des Steuerpflichtigen in Betracht kommen würde. Da die Verwaltung hier kein Risiko trägt, werden die Nichtanwendungserlasse weiterhin gängige Praxis bleiben.